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Laudatio anlässlich der Verleihung des Grünen Zweiges 2009
von Sibylle Centgraf,
baupolitische Sprecherin der BVV-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Die heutige Kolonie in der Württembergischen Straße ist Berliner Kulturgut. Gerade im Jahr nach der Eingemeindung aus 8 selbständigen Städten, 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken 1921 gegründet, waren die Kleingärten das Gegenstück zu den Gärten des Herrscherhauses Charlottenburg.
Der Nutzen von städtischem Grün für die Bevölkerung hatte sich vom zunächst recht revolutionären Gedanken beim Ausbau des Tiergartens 1742 zur Selbstverständlichkeit für die Gartendirektoren (1877-1909 Mächtig, Brodersen bis 1926 und später auch Barth) gewandelt - und was lag näher als auf direktorale Entwürfe zu verzichten und die Parzellen der gärtnernden Bevölkerung per Pachtvertrag zu überlassen.
Damals ist der Kleingarten zur Nahrungssicherung und -ergänzung für die Arbeiter- und Kleine-Leute-Schicht gedacht, die in den gründerzeitlichen Mietshäusern innerstädtisch wohnten. Der Grunewald mit seinen um die Jahrhundertwende gerade entstehenden Villensiedlungen ist noch vor den Toren der Stadt.
Vor, mit und nach der Mauer sind die Westberliner Innenstadtkleingärten Rückzugsgebiet, Refugium und Sozialverband. Eine im Zuge der deutschen Lebensbewegung entstandene, wandlungs- und anpassungsfähige Idee, die über Jahrzehnte die Kindheitserfahrungen vieler BerlinerInnen prägen sollte. Stadtbildprägend bis heute. Kleingarten-Funktionäre haben denn auch, durch unzählige weitere Vereinsstrukturen (wie. z.B. Kaninchenzüchter und Imkerzusammenschlüsse) gestärkt, so manchen Stadtrat das fürchten gelehrt.
Längst gibt es einen neuen Trend zur Gartenlaube, der auch vor Mitgliedern des Fraktionsvorstandes nicht halt macht. Das Spektrum ist weit: So vielfältig Gärten sind – der Eine liebt die geordnete Natur, die Andere hat Freude an der Kraft des Wachstums, wieder andere oder schätzen gar das Grün als laszives Freizeitvergnügen.
Auch der Grüne Zugang ist entsprechend differenziert:
Wenn sich Herr Ramelow aus Erfurt (eine Stadt mit großer DDR-Gartenbautradition) damit brüstet, seinen Sommerwahlkampf ausschließlich in Kleingärten geführt (und gewonnen) zu haben, ist der Grüne Kommentar dazu: „Die Linken sind eben reaktionär!“
Es gibt auch weniger geordnete städtische Gartenaktivitäten. Nehmen wir die gehypte Vorstellung vom „Guerilla Gardening“. Wobei zumindest der gesettelte Teil der Grünen vorm „wilden“ Gardening zurück schreckt - da das nun doch wieder zu subversiv ist – und doch hat Guerilla Gardening zumindest als „künstlerische Zwischennutzung“ weltweit bekannte deutsche Protagonisten.
Im Gegensatz zur englischen Gartenliebe ist das Kleingärtnern jedenfalls typisch deutsch. Es wird durch das einmalige Bundeskleingartengesetz geregelt.
Heutzutage ist dia Kleingartennutzung verbreitet in alle Gesellschaftsschichten von „Nicht-Eigenheim-Besitzern“; so bunt wie Berlins Familien.
Was aber haben wir hier: bürgerliche Zivilcourage, Widerstand gegen vermeintlich „faule“ politische Kompromisse, die Opfer von den bisher doch recht privilegierten Nutzern verlangen.
Unkenrufe haben sich bewahrheitet: die Finanzkrise lässt Investmentgiganten wanken. Vielleicht hätte doch ein gewisses Maß an Besonnenheit bei den bereits 2004 im Bezirksparlament vollzogenen Weichenstellungen gut getan.
Die etablierte Politik hat jedenfalls vor den Sachzwängen und der Berliner Schuldenfalle, vor dem Wachstumsnimbus (Wachstum sichert Arbeit und Wohlstand) kapituliert.
Nicht so die Initiative Gärten retten:
Sie gärtnern was die Scholle her gibt und was ihnen der Rechtsstaat zugesteht.
Dass Sie nicht aufgegeben haben, dass Sie über den eigenen Gartenzaun gucken, dass Sie Zeit und Geld aufwenden für Ideen, die auch in der Grünen Partei geteilt werden. Für Ihre stetige Ausdauer, die Sie wie eine erfahrene GärtnerIn beweisen – sich auch von mageren Ernten nicht von der Aussaat abhalten lässt….
Dafür erhalten Sie heute die Anerkennung der Grünen Partei.
Der Grüne Zweig wird Ihnen jetzt von unserer Stadträtin überreicht.