Wem gehört die Stadt?

Gehört die Stadt den BürgerInnen, die in ihr leben, oder gehört sie denjenigen, die Eigentum an ihrem Grund- und Boden haben? Unser Grundgesetz räumt dem Eigentum hohen Stellenwert ein. Es gibt jedoch auch gesetzlich verbriefte Rechte der Allgemeinheit, die bei entsprechenden Voraussetzungen private Eigentumsrechte einschränken (z.B. Informations- und Beteiligungsrechte oder Regulierungsrechte). Dies ist insbesondere im Bereich der Bau- und Wohnungspolitik ein Thema. Hierbei gilt es, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ein geeignetes Gleichgewicht zwischen den Rechten der Allgemeinheit und denen der Eigentümer zu finden. Ca. 93% aller Wohnungen im Bezirk gehören beispielsweise privaten Vermietern, nur 7 % befinden sich in der Hand öffentlicher Unternehmen. Somit ist eine Miethöhen-Regulierung über ein öffentliches Angebot, wie mit dem vom Senat verkündeten "Bündnis für bezahlbare Mieten" verkündet, kaum möglich. Außerdem sind Sozialwohnungen im Bezirk so teuer, das 5% dieser Wohnungen leer stehen.

Darüber hinaus wird preiswerter Wohnraum durch Umwandlung und Luxusmodernisierung noch knapper. Deshalb hat die Bündnisgrüne BVV-Fraktion einen Antrag gestellt, Gebiete zu benennen, in denen durch Milieuschutz eine Verdrängung der BewohnerInnen verhindert werden könnte. Der Bezirk hat nun zwei großräumige Gebiete vorgeschlagen, die näher auf ihre Milieuschutzeignung hin untersucht werden sollen. Innerhalb dieser zunächst großräumig gefassten Grenzen befinden sich u.a. der Klausenerplatz-Kiez und die Mierendorff-Insel sowie Bereiche von Wilmersdorf. In weiteren Verfahren ist eine stärkere Binnendifferenzierung  zu erwarten.

Die neue Liegenschaftspolitik des Senats trägt auch in unserem Bezirk erste Früchte, so wurden zwei Grundstücke an der Quedlinburger Straße und an der Arkostraße an städtische Wohnungsgesellschaften kostenlos übertragen, um dort preiswerte Wohnungen zu bauen.

Die Sicherung privater Kleingartenflächen mittels eines Bebauungsplans gelingt nur in einigen Fällen, in denen die Rechts- und Eigentumssituation es zulässt. Gerade bei der Kolonie Oeynhausen, deren Grundstück sich in privatem Eigentum befindet, ist der Bezirk aufgrund eines möglichen hohen Entschädigungsrisikos auf die Unterstützung des Senats angewiesen, was dieser jedoch verweigert hat. So schwelt der Konflikt gegenüber dem Eigentümer noch immer weiter, obwohl ein Bürgerentscheid den Druck auf den Senat erhöhte, hier aktiv zu werden. Doch der Bürgerentscheid hat lediglich eine schwache Wirkung, gilt er doch nur als Ersuchen an das Bezirksamt. Im Rahmen der bezirklichen Bürgerbeteiligung fordern  die Grünen verbindliche Entscheide einzuführen, wobei jedoch gerade hier Finanzierbarkeit und finanzielle Auswirkungen angemessene Berücksichtigung finden müssen.  Die Grüne Fraktion hat im Konflikt um die Festsetzung der Kolonie Oeynhausen inzwischen ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, um das Entschädigungsrisiko und die mögliche Höhe einer Zahlung prüfen zu lassen. Damit sollen die Handlungsoptionen des Bezirks, aber auch die Möglichkeiten der Kleingärtner, das Gelände zu kaufen,  geklärt werden. Denn angesichts der seit Jahren bestehenden Haushaltslage hat der Bezirk keine Mittel, um das Grundstück selbst zu erwerben.

Wem gehört die Stadt, ist auch eine Frage der Wohnungsbaupotentiale. Unzweifelhaft muss in großem Maße neu gebaut werden, um den derzeit bestehenden hohen Mietendruck zu entlasten. Wo der Senat allerdings auf großflächige Neubaupotenziale setzt und deshalb auch beispielsweise im neuen Stadtentwicklungsplan Wohnen u.a. viele Kleingärten als Bauland vorsieht, möchten die Grünen eher eine behutsame Nachverdichtung. Dazu ist eine genaue Wohnbaulandanalyse notwendig, für die wir eine Finanzierung von dem Senat fordern.

Hierbei darf der Bedarf an Wohnraum  nicht zu einer schlechteren Qualität im Wohnungsbau führen. Eine anspruchsvolle Architektur ist ebenso notwendig wie hohe  ökologische und energetische Standards zur Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele von Bezirk, Stadt, Bund und EU.

An welcher Stelle wie gebaut wird, ist ein Prozess, der nicht nur im Parlament und den Bezirksverordnetenversammlungen geführt werden muss, sondern gerade  auch in den Kiezen mit breiter Bürgerinformation und -beteiligung.

Doch auch dort, wo mehr Grün entstehen soll und bereits im Vorfeld während der Ideen- und Planungsphase viele BürgerInnenveranstaltungen stattfanden, regt sich teilweise Protest. Bei der Neugestaltung des Olivaer Platzes sollen Parkplätze wegfallen und ein Teil des Baumbestands gefällt werden, um Raum für Baum-Neupflanzungen im Rahmen der Umgestaltung zu schaffen. Im Beteiligungsverfahren haben über 900 Menschen Einwendungen erhoben, ca. 500 davon mit einem Musterformblatt gegen den Wegfall der Parkplätze. Aber ca. 300 Personen haben sich auch für die alten Bäume stark gemacht. Das greift die rot-grüne Zählgemeinschaft auf. Es wird eine Veranstaltung geben, in dem das Konzept der Grünfläche mit den Bäumen vorgestellt wird, die unter den BürgerInnen auch viel Zustimmung gefunden hat. In einem Workshop soll überlegt werden, welche weiteren Bäume erhalten werden können, um hier einen Kompromiss zu finden.  Die Veranstaltung findet am 25. September um 19.30 Uhr im Rathaus Wilmersdorf, Raum 1138 statt.

Wem gehört die Stadt? Das ist eine Frage des Engagements. Wer sich einbringt und engagiert, kann die Stadt mitgestalten. Änderungen im Leon-Jessel-Kiez und Klausenerplatz beim Verkehr, die Zukunftswerkstatt Bundesplatz und das Charette-Verfahren am Güterbahnhof Grunewald sind Beispiele, wo AnwohnerInnen und Interessierte sich einsetzen, um Stadtraum zu gestalten und zurück zu gewinnen.

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