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31.05.19 –
von Jenny Wieland, Sprecherin für Stadtentwicklung
Rasant steigende Mieten, Verdrängung in den Kiezen, eine steigende Zahl von Wohnungslosen – was hilft? Wenn man der Immobilienwirtschaft und anderen Parteien zuhört, soll das Allheilmittel gegen Wohnungsnot und steigende Mieten der Neubau von Wohnraum sein. Ständig plädieren sie dafür, auch noch die allerletzte Ecke und den allerengsten Zipfel zu bebauen. Wohnungsnot, so argumentieren sie, würde sich angeblich nur durch Unmengen an Wohnungsneubau lösen lassen.
Der aktuelle Wohnungsmarktbericht zeigt jedoch, wie falsch die Verfechter des „Bauen um jeden Preis“ gerade im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf liegen. Eine Große Anfrage der Grünen BVV-Fraktion zu diesem Thema zeigte auf, dass weder bei Wohnungsneubau bezahlbare Mietwohnungen entstehen, noch die Eigentumswohnungen, die stattdessen gebaut werden, der Eigennutzung dienen können. Ihre Preise sind so hoch, dass allein Spekulation der Kaufgrund sein kann. Ursache sind hemmungslos steigende Bodenpreise, besonders in unserem dicht bebauten Innenstadtbezirk, in dem das öffentliche Bauland in den vergangenen Jahrzehnten zur Haushaltssanierung verkauft worden ist und stattdessen nun private Gewinnmaximierung regiert.
Was geschieht jedoch, wenn Wohnraum zum reinen Anlageobjekt wird? In London hat diese Entwicklung zur Verdrängung der angestammten Bevölkerung in das weiter entfernte Umland geführt, zu endlos langen Pendlerwegen und zu einer Verödung ganzer Straßenzüge in der Innenstadt. Bedauerlicherweise lässt sich gegen diese Entwicklung entfesselter Bauspekulation, vergleichbar der Finanzspekulation, auf bezirkspolitischer Ebene wenig tun. Handeln muss hier dringend der Bund, beispielsweise bei der Mieten- und Steuergesetzgebung.
Für eine lebenswerte Stadt können wir jedoch auch auf Bezirksebene kämpfen. Zum Beispiel, in dem wir uns nicht von Investoren zu immer mehr, immer höherem, immer größerem Bauen antreiben lassen, sondern sorgsam abwägen, wo und wie neu gebaut wird. Indem wir uns dafür einsetzen, dass in größeren stadtplanerischen Gesamtzusammenhängen gedacht und nicht jedes Grundstück zum Spielball von Einzelinteressen wird. Deshalb habe ich beispielsweise einen Antrag eingebracht, der die Verwaltung auffordert, die seit vielen Jahren ausgesetzte Bereichsentwicklungsplanung wieder als Planungsinstrument des Bezirks zu reaktivieren.
Unstrittig ist, dass grundsätzlich neu gebaut werden muss: Nicht nur bezahlbarer Wohnraum, auch soziale Infrastruktur wie Kitas und Schulen. Aber nicht um jeden Preis und überall, sondern wohlüberlegt und abgewogen. Anstatt Grünflächen zu bebauen, wonach viele rufen, und damit wertvolle Flächen für den Natur- und Klimaschutz vernichten, muss zunächst ermittelt werden, wo auf bereits versiegelten Flächen gebaut werden kann. Daher habe ich bereits im letzten Jahr einen Antrag gestellt, zunächst die Baupotenziale auf den Parkplätzen, BVG-Depots und BSR-Betriebsflächen des Bezirks zu identifizieren. Weil diese Flächen dem Land Berlin gehören, ist man hier auch noch unabhängig von der Spekulationsspirale der Bodenpreise und kann sogar kostengünstig bauen.
Und da wir Grünen davon überzeugt sind, dass eine wachsende Bevölkerung auch mehr Erholungsflächen benötigt, möchten wir stattdessen Bahnbrachen wie das Westkreuz zu öffentlichen Parks umwandeln. Für das Westkreuz haben wir die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel Grünfläche in die Wege initiiert.
Am Ende geht es darum, unsere lebendige urbane Vielfalt und Lebensqualität zu erhalten, auch wenn die Stadt dichter wird. Wir möchten keine toten Kieze, keine „Gated Communities“, keine dunklen Straßenräume, in denen die soziale Kontrolle fehlt und man Angst hat, entlang zu gehen. Mit einem Antrag habe ich mich dafür eingesetzt, dass bei der Genehmigung von Bauprojekten darauf zu geachtet werden soll, dass sich Neubauten auch sozial in ihr Umfeld einfügen, sich zu ihrer Umgebung hin nicht abschotten, sondern öffnen. Indem beispielsweise in den Erdgeschossen Läden vorgeschrieben werden, anstatt zurückgesetzte Wohnungen hinter Vorgärten zuzulassen, indem wir in Höfen öffentliche Durchwegungen integrieren, anstatt Privatparks hinter Gittern zu gestatten, indem wir den Senat dazu bringen, die Berliner Bauordnung so zu ändern, dass 2m-hohe Zäune in der Innenstadt nicht mehr gebaut werden dürfen.
Londoner Verhältnisse gilt es zu verhindern. Denn „Bauen um jeden Preis“ hilft letztendlich allein der ungebremsten Bodenspekulation.